Der Zukunftskongress Beruf und Familie fand in diesem Jahr am 14. November 2020 statt –nicht live, sondern erstmals online, wie gewohnt jedoch im Rahmen des Deutschen Zahnärztetags, der ebenfalls als Online-Event durchgeführt wurde. Vieles war anders als sonst: Keine festliche Eröffnungsveranstaltung, kein Gedränge in den Gängen der Frankfurter Messe, kein kollegialer Plausch zwischen den Vorträgen. Dafür ein Programm, das über 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem Samstagnachmittag vor die Bildschirme lockte – ein großer Erfolg. Schon heute steht deshalb für die Veranstalter – Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Dentista e.V. und Bundesverband der zahnmedizinischen Alumni (BdZA) – fest, dass der Zukunftskongress auch in den kommenden Jahren online angeboten werden soll – sobald es die Pandemie zulässt, als Ergänzung zur Präsenzveranstaltung. Ziel des Kongresses sei es, so Moderatorin ZÄ Sabine Steding, stellv. Vorsitzende des BZÄK-Ausschusses „Beruflicher Nachwuchs, Familie und Praxismanagement“, Lust zu machen auf das „Zukunftsmodell eigene Praxis“ – auch und gerade in der aktuellen Zeit.
Zahnmedizin neu definieren
Dieses Thema griff auch Prof. Dr Christoph Benz auf, Vizepräsident der BZÄK, der das Tagungsprogramm mit seinem Vortrag „Superspreader? Für die Zahngesundheit und ein schönes Lächeln“ eröffnete. Er gab einen Abriss der zahnmedizinischen Historie und lud ein, aus dem Impuls, den das Brennglas Corona gezeigt habe, Zahnmedizin womöglich neu zu definieren. Er beleuchtete die „zwei Arten von Zahnmedizin – die mechanische und die präventive“ – mit Blick auf die Systemrelevanz und plädierte für eine möglichst offene Definition: „Zahn-, noch besser: Mundmedizin ist für mich die möglichst umfassende Vorbeugung von Krankheitssymptomen, die mit dem Mund assoziiert sind, unter Nutzung nahezu aller dazu geeigneten Aspekte.“ Dabei stellte er die Bedeutung von Prävention klar in den Fokus: „Prävention ist kein nice-to-have, kein Nebenkriegsschauplatz, den man bei Bedrohung von außen schließt.“ Vielmehr sei Prävention für die Patienten die beste Zahnmedizin, die sie jemals hatten, „weil sie die Krankheit gar nicht erst entstehen lässt.“
Einem gänzlich anderen Themenbereich widmete sich BdZA-Präsidentin Lotta Westphal mit ihrem Beitrag „Faires Miteinander – wir müssen reden – was Assistenten wollen“. Schwungvoll, mitreißend und allzu oft auch erschreckend beschrieb sie – anhand eigener Erlebnisse – die Tücken der Bewerbungsphase und der ersten Jahre als Assistenzzahnärztin. Sie warb für „mehr Augenhöhe“ in der Kommunikation. Diese und gegenseitiger Respekt seien die wichtigsten Säulen für eine gute Zusammenarbeit – eigentlich Dinge, die selbstverständlich sein sollten. Eigentlich. „Lasst uns miteinander sprechen – aber auch zuhören“, so ihr Appell an die erfahrenen, aber auch an die jungen Kolleginnen und Kollegen.
Einblick in den Berufsalltag der Zahnärztinnen und Zahnärzte in der Bundeswehr gab Dr. med. Gregor Freude, der ins „Controlling in der Zahnarztpraxis“ einführte. Als Oberarzt einer neurochirurgischen Klinik zeigte er eine andere, für viele neue Perspektive und half beim Transfer „aus dem Krankenhaus in die Praxis“.
Nachhaltigkeit schafft Zukunftsperspektiven
Zurück zur Zahnarztpraxis der Zukunft führte Dr. Wolfgang Carl mit seinem Vortrag „Rettet die Erde – sie ist der einzige Planet mit Zahnärzten“. Er plädierte für „Die Grüne Praxis“ – ob dies ein Erfolgsmodell werde, liege in den Händen eines jeden einzelnen. Er selbst habe die „Nachhaltigkeit“ ins Zentrum seiner Bestrebungen gestellt – angefangen bei Pflanzen auf dem Dach und an der Fassade als „natürliche Klimaanlage“. Ressourcen würden effizient genutzt (z.B. Optimierung des Wasser- und Stromverbrauchs), Hygieneartikel auf Umweltverträglichkeit geprüft (z.B. biologisch abbaubares Desinfektionsmittel und konsequente Mülltrennung). Ressourcenschonender Umgang sei auch in der Behandlung das Credo: „Die Biologische Struktur ist immer die erste Wahl!“. Sein Fazit: Wer energieeffizient und ressourcenschonend arbeitet, der arbeitet nicht nur zukunftsorientiert, sondern auch wirtschaftlich.
Für den Dentista e.V. – Verband der ZahnÄrztinnen referierte diesmal Dr. Anke Handrock über das Thema „Mitarbeiterführung: Delegieren oder Durchdrehen“. Delegation erfordere Kompetenz und Verantwortung – „und auch, dass jemand diese Verantwortung wirklich übernimmt.“ Es lohne, sich zu fragen, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen: „Sicherheit ist hier ein ganz entscheidender Faktor“, das habe nicht zuletzt die Corona-Krise gezeigt. Weitere starke Motivatoren seien das Gefühl, sinnvolle Arbeit zu leisten, zu verstehen, was warum entschieden wird und ein eigener Kompetenzbereich. „Und nicht zu vergessen: Regelmäßiges Feedback, Wertschätzung und Dank.“ Echte Delegation erfordere klare Regeln in der Vorbereitung – und im Berichtswesen. Nur so könnten dann auch echte Freiräume entstehen.
Auf Augenhöhe: Praxisgründer erzählen
Im letzten Vortragsblock luden junge Praxisgründerinnen und -gründer in die eigene Praxis ein, um den Zuschauern eben diese Lust auf die eigene Praxis zu vermitteln: Dr. Franz Pleier, der 2020 in die elterliche Praxis in Weiden einstieg; Dr. Valentina Patzer gründete 2020 in Bielefeld ihre eigene Praxis (Neugründung), und Dr. Philip Broeker übernahm 2020 in Mönchengladbach eine oralchirurgische Praxis. So unterschiedlich die Geschichten der Kollegen waren, so engagiert diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Sozialen Medien mit ihnen – und auch, wenn diese Art der Diskussion eine neue war, so waren Engagement und Nachfrage mindestens so groß wie in einer Live-Veranstaltung.