STÖRUNG DES BETRIEBSFRIEDENS – ein Kündigunsgrund?


Kennen Sie das? Sie kommen am Montag Morgen in die Praxis, ein Teil des Teams ist schon da, und es herrscht bereits miese Stimmung. Auf Nachfrage erfahren Sie, dass sich eine Mitarbeiterin zum wiederholten Male nach dem Wochenende krank gemeldet hat, obwohl sie am Samstag Vormittag noch – zumindest auf den ersten Blick – topfit von einer Kollegin in einem Geschäft gesehen wurde.

Bildquelle: Fotolia/Picture-Factory

Oder die Mitarbeiterinnen der aktuellen Schicht sind sauer, weil eine Kollegin aus der vorhergehenden wie so oft wieder Punkt Dienstschluss alles hat stehen und liegen lassen, so dass von den anderen erst mal nachgearbeitet werden muss. Und dann ist da noch die Mitarbeiterin, die nur am Nörgeln ist und alle mit ihrer schlechten Laune ansteckt… Eine Ihrer besten Angestellten hat sogar schon darum gebeten, nicht mehr mit dieser Dame zusammenarbeiten zu müssen, da sie sich sonst ernsthaft überlege, die Praxis zu wechseln. Betrachtet man jeden Vorfall einzeln (jemand ist krank, jemand hat sein Arbeitspensum nicht geschafft, jemand ist schlecht gelaunt), so wird es keine Praxis geben, in der das nicht ab und an mal vorkommt, und Arbeitgeber/innen und auch Mitarbeiter/innen müssen und können damit klar kommen. Häuft es sich jedoch oder kommen verschiedene Vorfälle zusammen, so kann dies schnell zu einem schlechten Betriebsklima führen und der Praxis droht schlimmstenfalls der Verlust guter Mitarbeiter/innen.

Was aber kann man als Arbeitgeber/in in diesem Fall tun? Kann man den Betriebsfrieden störende Mitarbeiter/innen einfach kündigen? Vielleicht sogar fristlos? Oder muss man zunächst abmahnen? Und falls es grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstellt: ab wann liegt überhaupt eine nicht mehr zu tolerierende Störung des Betriebsfriedens vor?

Um diese Fragen zu beantworten, ist es wichtig, die grundsätzlichen Voraussetzungen für Kündigungen zu kennen.

Zunächst kann ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ordentlich (unter Einhaltung einer Kündigungsfrist) oder außerordentlich (fristlos) gekündigt werden. Die Fristen für eine ordentliche Kündigung sind in § 622 BGB geregelt, arbeitsvertraglich kann davon jedoch abgewichen werden. Nach § 626 BGB kann ohne Einhaltung dieser Fristen gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der es dem Arbeitgeber nicht mehr zumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzuführen.

Vorab ist zu prüfen, ob das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, denn falls nicht, kann ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ohne besondere Gründe kündigen, sofern die Kündigung nicht willkürlich ist. Das Kündigungsschutzgesetz ist anwendbar, sobald die Praxis regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer/innen beschäftigt, Teilzeitstellen werden hierfür anteilig berücksichtigt. Es zählen alle beschäftigten Personen, also z.B. auch Reinigungskräfte. Wurde das Arbeitsverhältnis vor dem 31.12.2003 begründet, müssen zum Kündigungszeitpunkt mindestens 5 Mitarbeiter/innen beschäftigt sein, die ebenfalls schon vor dem 31.12.2003 in der Praxis angestellt waren. Weiterhin muss das zu kündigende Arbeitsverhältnis seit mindestens 6 Monaten bestehen. Kleine Praxen haben daher häufig die Möglichkeit, störende Mitarbeiter/innen „einfach so“ mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu kündigen. Befürchtet man, dass die gekündigte Person in der restlichen Zeit den Betriebsfrieden noch mehr stört oder möglicherweise sogar Patienten beeinflusst, kann diese Person bis zum Ablauf der Frist ab Kündigung (selbstverständlich bezahlt) freigestellt werden – am besten unter Anrechnung noch vorhandener Urlaubsansprüche und Überstunden. Dies ist im Zweifel besser, auch wenn die Praxis für die Gehaltszahlung keine Gegenleistung mehr erhält. Die außerordentliche Kündigungsmöglichkeit bleibt auch während der Freistellung bestehen, z.B. bei Verrat von Betriebsgeheimnissen oder Tätigkeit bei der Konkurrenz.

Bei größeren Praxen mit mehr als 10 Mitarbeitern ist es leider nicht mehr so einfach, „ungeliebte“ Mitarbeiter/innen „loszuwerden“, wenn diese länger als 6 Monate in der Praxis beschäftigt sind. In diesen Fällen brauchen Arbeitgeber/innen auch für eine ordentliche Kündigung einen tragbaren Grund. Nach dem Kündigungsschutzgesetz ist eine Kündigung möglich, wenn der Kündigungsgrund in der Person des Arbeitnehmers oder in dessen Verhalten liegt, oder aber eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen notwendig ist. Ein Kündigungsgrund, der in der Person des Arbeitnehmers liegt, wäre z.B. eine dauerhafte Erkrankung, denn diese ist nicht durch das Verhalten des Arbeitnehmers beeinflussbar.

Eine verhaltensbedingte Kündigung ist möglich, wenn der Arbeitnehmer gegen die ihn aufgrund des Arbeitsverhältnisses treffenden Pflichten so gravierend verstoßen hat, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Für eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung müssen folgende 4 Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Es muss ein erheblicher Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers vorliegen.
  2. Der Pflichtverstoß muss rechtswidrig und schuldhaft sein.
  3. Die Kündigung muss verhältnismäßig sein, d.h. es darf kein milderes Mittel wie z.B. eine Abmahnung oder die Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz (z.B. vom Stuhl an die Rezeption, in eine andere Schicht, an einen anderen Praxisstandort) geben.
  4. Das Interesse des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss im Vergleich zu dem des Arbeitnehmers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegen.

 

In welchen Fällen ist nun aber eine verhaltensbedingte Kündigung möglich?

  1. Wenn sich Mitarbeiter/innen nicht nur über Überstunden, Zusatzaufgaben oder andere Dinge beschweren, die ihnen am Arbeitsplatz nicht passen, und dies nicht sachlich ansprechen, sondern den Arbeitgeber in der Hitze des Gefechts beleidigen, riskieren sie sogar eine fristlose Kündigung, wenn die Beleidigung als grob einzustufen ist. So lange Mitarbeiter allerdings sachlich (vielleicht auch nur vermeintliche) Missstände ansprechen, hat der Arbeitgeber dies zu tolerieren. Wird jedoch hinter dem Rücken des Arbeitgebers gegen ihn „mobil gemacht“, kann dies ein Kündigungsgrund sein.
  2. Gerne wird angeführt, Mitarbeiter würden andere mobben und dadurch das Betriebsklima verschlechtern. Der Begriff „Mobbing“ ist jedoch nicht unproblematisch, da er im allgemeinen Sprachgebrauch häufig für fast jede Auseinandersetzung in Arbeitsverhältnissen verwendet wird („Ich werde immer unterbrochen.“ – „Man schreit mich an.“ – „Ich werde ständig kritisiert.“ – „XY ignoriert mich und lästert bei den anderen über mich.“ – „Ich werde lächerlich gemacht.“ etc.). Juristisch bedeutet Mobbing u.a. „fort­ge­setz­te, auf­ein­an­der auf­bau­en­de oder in­ein­an­der überg­rei­fen­de, der An­fein­dung, Schi­ka­ne oder Dis­kri­mi­nie­rung die­nen­de Ver­hal­tens­wei­sen“ (LAG Thüringen), die das Persönlichkeitsrecht des Gemobbten verletzen. Ob eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Mobbings zulässig ist, hängt davon ab, ob dieses Verhalten tatsächlich nachweisbar ist, was nicht immer gelingt. Auch sollte man zuvor in den meisten Fällen abmahnen, um dem Mitarbeiter klar zu machen, dass dieses Verhalten nicht toleriert wird.
  3. Wie ist es nun aber mit der gerne angeführten „Störung des Betriebsfriedens“? Man versteht darunter verbale und körperliche Angriffe auf und unter Kollegen, die (noch) nicht als Mobbing einzustufen sind und die kollegiale Zusammenarbeit stören. Sollte diese Störung tatsächlich nachweisbar sein (z.B. durch entsprechende Aussagen von anderen Mitarbeitern oder gar Eigenkündigungen), kann dies auf jeden Fall einen Kündigungsgrund darstellen. In diesem Fall muss jedoch auch hier zuvor abgemahnt werden, damit der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, das störende Verhalten zu ändern. Mitarbeitern ist es häufig gar nicht bewusst, was sie mit ihrem ständigen Genörgle oder vermeintlich „lustigen“ Anspielungen und Seitenhieben anrichten.
  4. Und wenn Mitarbeiter schlechte Arbeitsleistung erbringen oder die Arbeit ganz verweigern? Jeder, der sich weigert, seine volle und nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, muss mit einer Kündigung rechnen. Der Arbeitgeber muss dies jedoch nachweisen, was nicht immer einfach ist. Ausnahmen sind außerdem, wenn ein Gesetzesverstoß hinter der aufgetragenen Arbeit steckt (z.B. wenn Positionen abgerechnet werden sollen, die gar nicht erbracht wurden) oder die Arbeit gesundheitsschädlich ist, weil der Arbeitgeber notwendige Schutzkleidung bzw. -vorkehrungen nicht zur Verfügung stellt. Ein Fall von berechtigter Arbeitsverweigerung in einer Zahnarztpraxis wäre auch, wenn der Arbeitgeber eine Schwangere oder stillende Mutter nicht auf einen gefährdungsfreien Arbeitsplatz setzt und dennoch kein Beschäftigungsverbot ausspricht.
    Schlechtleistung des Arbeitnehmers muss ebenfalls nachgewiesen werden. Auch hier ist fast immer eine vorherige Abmahnung notwendig, damit dem Mitarbeiter bewusst gemacht wird, dass der Arbeitgeber mit der Arbeitsleistung nicht zufrieden ist. Erbringt der Arbeitnehmer weiterhin und auch mit negativer Prognose für die Zukunft schlechte Leistung und wird dadurch kontinuierlich das Vertrauensverhältnis und möglicherweise auch der Betriebsablauf gestört, ist eine Kündigung in der Regel wirksam.

All diese Beispiele zeigen, dass es letztlich immer auf den Einzelfall ankommt. Nicht alles, was ein Arbeitgeber als Kündigungsgrund ansieht, wird vor Gericht bestätigt werden. Arbeitgeber müssen aber auch nicht jedes negative Verhalten der Angestellten tolerieren und können und sollten in vielen Fällen vor einer Kündigung mit Abmahnungen deutlich machen, dass weiteres negatives Verhalten zu entsprechenden Konsequenzen führen kann. Sind Sie sich als Arbeitgeber nicht sicher, ob ein bestimmtes Verhalten einen Abmahn- oder Kündigungsgrund darstellt, sollten Sie sich umgehend rechtlich beraten lassen. Liegt das entsprechende Verhalten länger als 14 Tage zurück und hatten Sie auch davon Kenntnis, werden Sie gegen dieses in der Regel nicht mehr vorgehen können.