Gegenwarts- und Zukunfts-Szenario mit Empfehlungen für Therapie und Praxis war Inhalt des 1. Hirschfeld-Tiburtius-Symposiums des Dentista-Verbandes am 6. Juni in Berlin. Unter der Überschrift „HighTech versus LowTech - Zahnmedizin in Zeiten der Wirtschaftsschwäche“ standen in drei Programmblöcken die Patienten, die Zahnmedizin und die Praxen im Blickpunkt.
Bedrückend deutlich wurde, dass der Trend zu einer hohen und vielleicht weiter steigenden Anzahl wirtschaftsschwacher Menschen noch länger anhalten wird (Dr. Rudolf Martens/Paritätische Forschungsstelle; Dr. David Klingenberger/IDZ). Damit wird auch die Zahl der Patienten, die als sozioökonomisch schwache Gruppe in der Gesellschaft die größte Last an Gesundheitsproblemen auf sich vereinen, weiter steigen – eine Herausforderung für den zahnärztlichen Berufsstand, den dieser allein nicht wird stemmen können (Dr. Dietmar Oesterreich/BZÄK), auch die Bildungspolitik sei hier gefordert. Anders als oft vermutet ist bei dieser Bevölkerungsgruppe durchaus Interesse an Gesundheitsangeboten vorhanden – aufgrund von habituellen und kommunikativen Schwierigkeiten aber verschüttet oder überlagert (Soziologe Prof. Dr. Raimund Geene/Universität Magdeburg). Ein respektvolles Zugehen auf die Patienten könne Ansätze zu gesundheitsbewusstem Verhalten ausbauen.
Als passabel aufgestellt – aber bei weitem nicht finanziell ausreichend abgefedert – erweist sich das Spektrum der Zahnmedizin für Patienten in wirtschaftlicher Bedrängnis. Sorgen, das in solchen Debatten stets zitierte Amalgam könne Umweltgesetzen zum Opfer fallen, seien aufgrund der damit verbundenen finanziellen Mehrkosten für Alternativen nicht zu befürchten (Prof. Dr. Walter Karl Kamann/Münster), allerdings könne eine Kostenproblematik durch steigende Silberpreise entstehen. Das oft als Alternative genannte Komposit ist als sehr anwendungssensitives Material für vielerlei Indikationen heute als haltbare Versorgung etabliert (ZÄ Anne Bandel/Berlin), zu Unrecht aber als preiswerte Lösung bezeichnet: Der Aufwand entspreche nicht selten dem eines Keramikinlays und sei ohne Zuzahlung „Selbstausbeutung“. Auch Keramikinlays werden für mehr Patienten erschwinglich, wenn zentrale CAD/CAM-Fertigung Kostenersparnis für Praxen und Patienten ermöglicht (Dr. André Hutsky/absolute ceramics Schulungszentrum/München). Die 11 Millionen bereits abgeschlossenen Zahnzusatzversicherungen seien als Wunsch auch der finanzschwächeren Bevölkerung nach ästhetischer Versorgung zu verstehen und auch zu respektieren. Aus Respekt vor den Ansprüchen der Patienten müssten Zahnärzte auch über manchen Schatten springen und beispielsweise in besonderen Fällen zu Auslands-Zahnersatz greifen, wenn heimische Labore nicht mithalten können (ZÄ Kirsten Falk/Berlin): „Nicht unsere Vorstellung, sondern der Patient zählt.“ Die unsolidarische Haltung im Berufstand und das Werben mit derartigen Versorgungen lasse auch Zahnärzte zu Import-Zahnersatz greifen, die solche Entwicklungen eigentlich nicht unterstützen wollen. Erschütternd dramatisch sieht es im Bereich der Parodontopathien aus: Mit rund 6 Euro p.P./p.a. sei eine Behandlung ohne Zuzahlung nicht erbringbar, auch die Vorbehandlung gemäß Richtlinien sei nicht zu GKV-Sätzen zu leisten (Dr. Susanne Fath/Berlin), der Berufsstand müsse daher wenigstens Prophylaxe und Früherkennung weiter ausbauen. Dies unterstützt die BZÄK mit der Forderung nach finanzieller Absicherung der PA-Grundversorgung (Dr. Oesterreich) und erhofft sich für die politische Arbeit Leuchtturmprojekte.