RECHTSTIPPS: Aktuelle Schutzpflichten in Zahnarztpraxen


Die Corona-Pandemie hat die Welt von heute auf morgen auf den Kopf gestellt. Auch Zahnarztpraxen mussten sich der herausfordernden Frage stellen, wie sie ihren bisherigen Praxisbetrieb unter den besonderen Gegebenheiten fortführen. Dabei stellt sich vor allem die Frage, zu welchen Maßnahmen Praxisinhaber sowohl als Behandler gegenüber den Patienten, aber auch als Arbeitgeber gegenüber den Mitarbeitern verpflichtet sind. Mit dem nachfolgenden Beitrag verschaffen wir uns hierzu einen Überblick.

Jennifer Jessie

Autorin: RAin Jennifer Jessie, Beirätin Rechtsfragen Dentista e.V. (Kanzlei Lyck+Pätzold. healthcare.recht)

Infektionsschutz und Arbeitsschutz

Praxisinhaber sind verpflichtet, für einen wirksamen Infektionsschutz in ihrer Praxis zu sorgen. Dies dient sowohl der Sicherheit der Patienten als auch der Mitarbeiter. Die Regelungen hierzu finden sich in einer Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen sowie auch konkreten Handlungsempfehlungen offizieller behördlicher und wissenschaftlicher Stellen.

Die Schutzpflicht gegenüber den Mitarbeitern ergibt sich vor allem aus dem Arbeitsvertragsverhältnis selbst. Arbeitgeber sind generell verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Mitarbeiter durch zumutbare Schutzmaßnahmen im Rahmen ihrer Tätigkeit vor eine Gefahr für Leben und Gesundheit geschützt werden (§ 618 BGB, § 3 Abs. 1 ArbSchG). Die Wirksamkeit bisher getroffener Schutzmaßnahmen muss dabei auch ständig überprüft und gegebenenfalls an geänderte Gegebenheiten angepasst werden (§ 3 Abs. 1 S. 2 ArbSchG). Die Bedeutung von ausführlichen Gefährdungsbeurteilungen wird somit gerade in der aktuellen Zeit sehr deutlich.

Im Verhältnis zu den Patienten ergibt sich die Verpflichtung zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen insbesondere aus dem Infektionsschutzgesetz. Denn Zweck des Gesetzes ist es, die Vorbeugung, frühzeitige Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von übertragbaren Krankheiten zu verhindern (§ 1 Abs. 1 InfSchG).

Darüber hinaus spielt auch das Medizinproduktegesetz eine Rolle, mit dem der Verkehr der Medizinprodukte geregelt wird, um dadurch für die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patienten, Anwender und Dritter zu sorgen (§ 1 MPG).

Die Verpflichtung zum Schutz vor Gesundheitsgefahren gilt immer, d.h. auch außerhalb von Corona-Zeiten. Für Zahnarztpraxen stellt sich die Situation daher nicht grundlegend neu dar, denn sie unterlagen auch schon vorher strengen Hygienevorschriften. Die Corona-Pandemie hat allerdings dazu geführt, dass bisherige Schutzmaßnahmen und Hygienestandards angepasst werden müssen, so z.B. im Hinblick auf die allgemein geltenden Abstandsregelungen. Gegenüber den Mitarbeitern haben Praxisinhaber ein erweitertes Direktionsrecht, um weitere Schutzmaßnahmen, wie z.B. im Hinblick auf das Anlegen und Tragen von spezieller Schutzkleidung oder Einhalten von Abstandsregelungen in Pausenräumen, in den Betrieb einzuführen (§ 4 Nr. 7 iVm § 15 ArbSchG). Denn auch die Mitarbeiter trifft ihrerseits die Pflicht, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit für sich und andere Sorge zu tragen und Arbeitsmittel bestimmungsgemäß zu verwenden (§ 15 ArbSchG).

Offizielle Empfehlungen für Zahnarztpraxen

Für Zahnarztpraxen gibt es mittlerweile konkrete Handlungsempfehlungen, um das Risiko im Hinblick auf eine Covid-19 Erkrankung sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Patienten einzudämmen. So insbesondere auf der Webseite der Bundeszahnärztekammer (https://www.bzaek.de/berufsausuebung/sars-cov-2covid-19.html) und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (https://www.kzbv.de/coronavirus-informationen-fuer-praxen.1371.de.html), die wiederum auf aktuelle Empfehlungen von Bund und Ländern, insbesondere des Robert-Koch-Instituts verweisen. So wurde z.B. in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnmedizin ein Muster-Hygieneplan für Routinebehandlungen von Patienten ohne Covid-19-Verdacht und Notfallbehandlungen für Patienten mit Covid-19-Erkrankung erarbeitet (Einzelheiten: http://dahz.org/wp-content/uploads/2020/04/DAHZ-Stellungnahme-Corona-20.04.2020.pdf).

In Zusammenarbeit mit dem Institut der Deutschen Zahnärzte hat die KZBV darüber hinaus ein System von Standardvorgehensweisen für Zahnarztpraxen während der Coronavirus-Pandemie entwickelt (https://www.kzbv.de/coronavirus-handout-fuer-zahnarztpraxen.1384.de.html).

Auch bei den Landeszahnärztekammern finden sich auf den jeweiligen Webseiten mittlerweile entsprechende Handlungsempfehlungen für den Behandlungsbetrieb in Zahnarztpraxen in Zeiten von Corona (siehe z.B.: https://www.zaek-berlin.de/zahnaerzte/coronavirus.html ; https://www.zahnaerztekammernordrhein.de/fuer-die-praxis-beruf-wissen/corona/)

Praxisinhabern kann daher nur dringend angeraten werden, sich über diese offiziellen Handlungsanweisungen und Empfehlungen sowie mögliche tagesaktuelle Änderungen fortlaufend zu informieren. Auf dieser Grundlage werden sie für ihre Praxis ermitteln können, wie sie ihren Betriebsablauf für einen wirksamen Infektionsschutz optimieren und Praxisräumlichkeiten ausstatten können, z.B. im Rahmen der Terminvergabe, Einhaltung der Abstandsregelungen, Anbringung zusätzlicher Schutzbarrieren z.B. an der Rezeption. Die empfohlenen Maßnahmen sollten in jedem Fall bestmöglichst in den eigenen Praxisbetrieb integriert und nötigenfalls auch für die Zukunft wieder in geeigneter Weise angepasst werden. Es ist durchaus zu erwarten, dass auch Gerichte sich bei der rechtlichen Beurteilung von Streitfragen, ob im Einzelfall hinreichende Schutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie ergriffen und umgesetzt wurden, an den offiziellen und allgemein zugänglichen Empfehlungen orientieren werden.

Welche Konsequenzen drohen, wenn keine zumutbaren Schutzmaßnahmen ergriffen werden?

Werden in der Praxis keine Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie ergriffen, verstößt der Praxisinhaber nicht nur gegen das Infektionsschutzgesetz und die in dem Zusammenhang erlassenen Verordnungen, so dass ein empfindliches Bußgeld drohen kann. Er verstößt auch gegen seine Schutzpflichten als Arbeitgeber und könnte sich schlimmstenfalls sogar schadensersatzpflichtig machen. Mitarbeiter können zudem berechtigt sein, die Arbeit zu verweigern und gleichwohl Anspruch auf die Vergütung haben, wenn der Praxisinhaber objektiv keine erforderlichen und zumutbaren Schutzmaßnahmen ergreift. Rein subjektive Auffassungen von Mitarbeitern, bisher ergriffene Schutzmaßnahmen würde nicht reichen, entbindet Mitarbeiter allerdings genauso wenig von der Arbeitspflicht, wie die Angst vor einer möglichen Corona-Infektion. Ganz im Gegenteil, der Praxisinhaber kann bei einer unberechtigten Arbeitsverweigerung sogar seinerseits berechtigt sein, wegen einer Arbeitsverweigerung eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung auszusprechen. Die Frage, ob eine Arbeitsverweigerung berechtigt ist oder nicht, ist stets anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen und zu beurteilen. Von daher empfiehlt es sich auch, im offenen Austausch mit den Mitarbeitern zu bleiben, Bedürfnisse und mögliche Ängste durchaus ernst zu nehmen und die Gegebenheiten und ergriffenen Schutzmaßnahmen in der Praxis zu überprüfen und das Tätigkeitsspektrum unter Berücksichtigung des konkreten Arbeitsverhältnisses nötigenfalls individuell anzupassen.

Fazit:  

Zahnarztpraxen sind schon immer strengen Hygienevorschriften aus Gründen des Infektionsschutzes und des Arbeitsschutzes unterworfen. Aufgrund der aktuellen Pandemie-Lage müssen sie ihre bisherigen Schutzmaßnahmen an die aktuellen Bedürfnisse anpassen. Wie die Umsetzung im Einzelfall zu erfolgen hat, kann nur individuell beurteilt werden. Zahnarztspezifische Hygienepläne und Standardvorgehensweisen sowie Empfehlungen finden sich mittlerweile insbesondere auf den Webseiten der BZÄK, der KZBV sowie auch der Landeszahnärztekammern. Es ist davon auszugehen, dass auch die Gerichte sich an den offiziellen Handlungsanweisungen und Empfehlungen zur Beurteilung von Streitfragen orientieren werden. Praxisinhaber sind daher auf der sicheren Seite, wenn sie sich an den offiziellen Handlungsanweisungen und Empfehlungen orientieren. Bei konkreten Streit- und Rechtsfragen empfiehlt es sich zudem, so früh wie möglich anwaltlichen Rat einzuholen.