RECHTSFRAGEN: Aspekte rund um das MuSchG


Manche Fragen erreichen uns, die nur spezifisch, auf der Grundlage des bestehenden Arbeitsvertrages oder persönlicher Details, beantwortet werden könnten – hier verweisen wir auf Klärung gegebenenfalls mit einer spezialisierten Anwaltskanzlei.
Andere Fragen sind eher allgemein und vielleicht für weitere Zahnärztinnen/Zahntechnikerinnen ebenfalls interessant. In unregelmäßigen Abständen greifen wir einige auf und klären sie mit unserer neuen Beirätin Rechtsfragen, RAin Jennifer Jessie / Kanzlei Lyck+Pätzold (kanzlei@medizinanwaelte.de).

Jennifer Jessie

RAin Jennifer Jessie

FRAGE: Gilt das Beschäftigungsverbot bis zum Beginn des Mutterschutzes oder bis zur Geburt? Heißt, gibt es in der Zeit bis zur Geburt Lohnfortzahlung oder Mutterschutzentgelt? Das ist ja unterschiedlich hoch, oder nicht?

Jessie: Das Beschäftigungsverbot gilt für die Zeit, in der die Schwangere grds. noch beschäftigt werden könnte, also bis zum Beginn der gesetzlich vorgesehenen Schutzfrist (6 Wochen vor der Geburt und 8 oder 12 Wochen nach der Geburt). In der Zeit des Beschäftigungsverbotes gibt es Lohnfortzahlung, welches sich der Arbeitgeber im Umlageverfahren (U2) zurückholen kann. Ab der Zeit des Mutterschutzes gibt es das sog. Mutterschaftsgeld der Krankenkasse. Hierzu zahlt der Arbeitgeber einen Zuschuss. Diesen bekommt er ebenfalls von der Krankenkasse im Umlageverfahren erstattet. Der Erstattungsanspruch ergibt sich aus dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und muss beantragt werden.

FRAGE: Ich bin angestellte Zahnärztin,  schwanger und PRIVAT krankenversichert: Nach dem Umlageverfahren bekommt mein Arbeitgeber meinen „Lohn“ über die AOK entsprechend austariert. Hat er bei meinem Ausfall mit einem wirtschaftlichen Verlust zu rechnen? Und wie berücksichtigt das Umlageverfahren meine Umsatzbeteiligung?

Nach § 1 Abs. 2 AGG erstatten die Krankenkassen den Arbeitgebern den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld oder das im Rahmen des Beschäftigungsverbots bezahlte Arbeitsentgelt im vollen Umfang. Ein Nachteil ergibt sich für den Arbeitgeber daher nicht. Er muss jedoch einen Antrag stellen, § 2 Abs. 2 AAG.
Das Umlageverfahren orientiert sich der Höhe nach an der vom Arbeitgeber zu zahlenden Lohnfortzahlung oder Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Bei einer Umsatzbeteiligung müsste man im Einzelfall genau prüfen, was vertraglich geregelt ist. Handelt es sich um eine monatliche Umsatzbeteiligung als Teil der monatlichen Vergütung, müsste sie selbstverständlich auch entsprechend mitberücksichtigt werden.

FRAGE: Soweit ich weiß, muss ich meinen Arbeitgeber nicht sofort über die Schwangerschaft informieren – das Berufsverbot wird nur dann erteilt, wenn der AG informiert ist. Ich möchte ihm die Vorbereitungszeit aber erleichtern und noch etwas länger für den Übergang mitarbeiten…. Dazu zwei Fragen.
a) Muss er durch mich informiert werden? Oder ist er auch schon im rechtlichen Sinne „informiert“, wenn jemand anderes ihm berichtet, dass ich schwanger bin?
b) Wenn ich ihn nicht sofort informiere, und es passiert etwas, z.B. eine schwerwiegende Infektion mit Folgeproblemen wie vielleicht Verlust des Feten oder eine spätere Behinderung: Verliere ich den Anspruch auf Leistungen meiner Berufsunfähigkeits- / Berufsunfallversicherung, weil ich nicht auf die Schwangerschaft hingewiesen habe?

Diese Fragestellung ist vom Ansatz her nicht nachvollziehbar. Es geht doch um den Schutz der Mutter und ihres Kindes. Es müsste doch also ihr ureigenes Interesse sein, ihren Arbeitgeber möglichst frühzeitig zu informieren, damit er im Interesse ihrer Gesundheit und der des ungeborenen Kindes reagieren kann, wenn dies erforderlich ist. Auf der einen Seite Umgehungstatbestände zu schaffen, indem man den Arbeitgeber nicht informiert und damit ein ggf. erhebliches Risiko für das Kind eingeht, um sich aber auf der anderen Seite auf die Arbeitgeberfürsorgepflicht oder etwaige Versicherungsleistungen zu berufen, passt nicht zusammen.

Jessie: Zu a) Gemäß § 5 Abs. 1 MuSchG gilt grds. eine Mitteilungspflicht für die Schwangere selbst und nicht für Dritte. Nach dem Schutzzweck der Regelung geht es um das Gesundheitsinteresse der Schwangeren und ihres Ungeborenes und dass der Arbeitgeber zum Schutze der Schwangeren die erforderlichen Maßnahmen ergreifen kann, auch wenn dies bedeutet, dass eine Freistellung unumgänglich ist. Dies kann er natürlich nur, wenn er von der Schwangerschaft Kenntnis erlangt. Dabei spielt es im Ergebnis keine Rolle, ob der Arbeitgeber durch die Schwangere selbst oder einen Dritten von der Schwangerschaft erfährt. Sobald er Kenntnis von der Schwangerschaft erlangt, hat er die Aufsichtsbehörde über die Schwangerschaft zu unterrichten und entsprechend der gesetzlichen Regelung die nötigen Schritte einzuleiten.

Zu b) Ob die Schwangere sich ein Verschulden in Bezug auf Versicherungsleistungen anrechnen lassen muss, wenn sie in Kenntnis der Schwangerschaft beruflich weiter arbeitet und daher eine Fehlgeburt eintritt oder die Schädigung des Kindes, wäre zumindest denkbar. Im Übrigen kann unsererseits nicht nachvollzogen werden, warum es zu einem solchen Fall kommen sollte. Ob im Einzelfall überhaupt eine Berufsunfähigkeit oder ein Berufsunfall bei der Schwangeren im versicherungsrechtlichen Sinne vorliegt, ist zudem fraglich.