HTS-RÜCKBLICK: „Erfolgreich führen“


Führen, Führen, Führen … Dass unter „Führung“ so viel mehr als „nur“ die Personalführung zu verstehen ist, zog sich wie ein roter Faden durch alle Vorträge des Hirschfeld-Tiburtius-Symposiums (HTS) 2022 des Verbands der ZahnÄrztinnen – Dentista e.V., das am 25. Juni auf der Steinburg über Würzburg stattfand. Nach zweijähriger Pause endlich wieder live. Mit einem Konzept, das gut ankam.

Frischen Wind, eine Neuausrichtung – das kündigte die tags zuvor frisch wieder gewählte Dentista-Präsidentin Dr. Rebecca Otto in ihrer Eröffnung an. Nach 15 Jahren sei es an der Zeit, den Verband, der bislang sehr erfolgreich gewachsen war, in neue Bahnen zu lenken. Ein erstes „Zeichen“ hierfür sei der Relaunch des Dentista-Logos, das jetzt die Dynamik des Verbandes, die Entwicklung von der Tradition in die Zukunft symbolisiere. Überhaupt sei „Zukunft“ ein großes Thema des Verbandes, der die weibliche Perspektive der Zahnärzteschaft repräsentiere. Und „großartige Kolleginnen“ in ihrem täglichen Tun zu unterstützen, dies sei eine der Kernaufgabe des Dentista e.V. – und ein Auftrag, dem das HTS gerecht werde.

Die Kunst des weiblichen Führens

Yvonne Kasperek

Im ersten Fachvortrag sprach Yvonne Kasparek über „die Kunst des weiblichen Führens“ und spannte auch gleich den Bogen über die Themen des Tages: „Wenn es Ihnen nicht gelingt, Führungskräfte in Ihrer Praxis aufzubauen, können Sie sich jegliches Marketing sparen und werden früher oder später im Burnout landen.“ Gerade in Zahnarztpraxen hätten sich flache Hierarchien etabliert – „das machte es insgesamt aber auch einfach noch herausfordernder für Sie als Chefin“. Eine weitere Besonderheit: „Sie führen so viele Teilzeitkräfte wie sonst – in Relation – kaum eine Unternehmerin.“ Dies bringe besondere Rahmenbedingungen mit sich, die es zu berücksichtigen gelte: Überwiegend weibliche Teammitglieder, die überwiegend Familie haben, sich um Kinder kümmern müssen, die krank werden und Bedürfnisse haben – „auch und gerade während der letzten zwei Jahre wurde uns dies sehr deutlich gemacht.“ Die Unternehmensberaterin, die sich auf zahnärztliche Praxen fokussiert hat, brachte dann auch jede Menge Zahlen, Daten und Fakten in die Runde, wie sich männlicher vom weiblichen Führungsstil unterscheide. So kam eine aktuelle Studie zwar zu dem Ergebnis, dass Vorgesetzte kompetenter wahrgenommen wurden, je markanter und männlicher das Erscheinungsbild war – in gleichem Maße jedoch als „unsympathischer“ galten. Die Folge davon sei „Ein Selbstdarstellungsdilemma, mit dem die Praxisinhaberin heute umgehen muss. Die Aufgabe ist es, exakt die Lücke dazwischen zu finden.“ Um Mitarbeiter(innen) zielorientiert und erfolgreich zu führen, sei es wichtig, von innen nach außen zu kommunizieren. „Wer Leistung fordert, muss Sinn geben.“ Überhaupt seien die Werte „Sinn“ und „Sicherheit“ erheblich nachhaltiger in der Frage der Mitarbeitermotivation als bloßes „Geld“. Die Wirkung (und Motivationssteigerung) einer Gehaltserhöhung dauere im Schnitt vier Monate an, langfristige Mitarbeiterbindung könne nur durch werteorientiere Führung erreicht werden. Anders gesagt: „Begeisterung kommt von Geist, sonst würde es Begeldung heißen.“

Burnout- und Boreout-Prophylaxe

Dr. Anke Handrock

Dem „richtigen Delegieren“ zur Prophylaxe von Burnout und Boreout widmete sich im Anschluss Dr. Anke Handrock – und damit zunächst einigen Begriffsdefinitionen. „Der Unterschied zwischen dem Delegieren und dem Abgeben von Aufgaben ist im Ergebnis eine echte Entlastung für Sie als Chefin und ein nachhaltiger Kompetenzzuwachs bei Ihrer Mitarbeiterin.“ Die Delegation erfordere zwingend Kontrolle, das Abgeben beschreibe die Übertragung von Verantwortung. Beides fände in der Zahnarztpraxis seinen Platz, delegierbare Aufgaben seien teilweise sogar berufsrechtlich definiert. Übrigens sei es ebenfalls Aufgabe der Praxisinhaberin, die Mitarbeiter(innen) vor Burn- und Boreout zu schützen. Letzterer habe nichts mit Langeweile oder gar Faulheit zu tun, sondern stelle eine reale Bedrohung der (Mitarbeiter-)Gesundheit dar: „Übersteigen die Fähigkeiten die Anforderungen, erzeugt dies zunächst ein Kontroll(hoch)gefühl, mittel- und langfristig jedoch Ent-Spannung, die keinerlei Erholung bietet.“ So mache Boreout genau so krank wie das deutlich bekanntere Burnout-Syndrom – „von dem übrigens Frauen um über 60 % häufiger betroffen sind als Männer“. Vor beidem gelte es, sich und die Mitarbeiterinnen zu schützen, denn nur die Hälfte aller Erkrankten kehre – nach Genesung – in die zahnärztliche Praxis zurück.

Eine echte Alternative zum Amalgam

Einen Ausflug in die Welt der Dentalindustrie gewährte Monika Reichenbach von Ivoclar Vivadent, einem Patenunternehmen des Dentista e.V. Sie stellte mit dem Alkasite Cention Forte eine neuartige Amalgam-Alternative für Klasse I- und II-Restaurationen im Seitenzahnbereich vor. Viele Jahre kam hier Amalgam als Basis-Füllungsmaterial zum Einsatz, alternative Glasionomerzemente wiesen häufig erhebliche Schwächen bezüglich der Festigkeit auf. Anders nun das vorgestellte Material: mit ≥100 MPa weise das Material eine sehr gute Biegefestigkeit für den kaulasttragenden Seitenzahnbereich auf und unterscheide sich damit deutlich von Glasionomeren. Dazu sei das Material bioaktiv, selbsthärtend sowie schnell und einfach zu verarbeiten. Die außergewöhnlich vielen Nachfragen der Teilnehmerinnen unterstrichen: Ein Material, das in den Praxen gut ankommt.

Ziel-Führung und Wertschätzung

Zurück zum Tagungsthema lenkte Antonia Montesinos den Blick der Teilnehmerinnen. „Zielführende und wertschätzende Mitarbeitergespräche“ seien, so die Betriebswirtin, Mediatorin und Teamtrainerin mit zahnmedizinischem Schwerpunkt, „manchmal wie die Reise in ein unbekanntes Land.“ Zielführend beinhalte, die Ziele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu kennen, nur so sei echte „Ziel-Führung“ möglich. Dabei sei es nicht selbstverständlich, dass sich die Teammitglieder über die eigenen Ziele im Klaren wären, geschweige denn, diese auch formulieren könnten. „Seien Sie sich darüber im Klaren: Die Ziele Ihrer Mitarbeiterinnen sind kaum deckungsgleich mit Ihren“, dennoch sei es erforderlich, einen „Match“ zu erzeugen mit den Zielen der Praxis. Möglich werde dies durch das Führungsprinzip der Partizipation: „Wenn Sie die Ziele Ihrer Mitarbeiter kennen, nehmen Sie das mit in die Kommunikation. Stellen Sie sich die Frage: Was hat der/die Mitarbeiter/in davon? So beginnt Wertschätzung.“

Stressprävention ist Gesundheitsprävention

„Warum Menschen ausbrennen und was sie dagegen tun können“, war das Thema von Dr. Susanne Woitzik, DIE ZA. Dezidiert stellte die Wirtschaftswissenschaftlerin die „12 Phasen des Burnouts“ vor – von anfänglich leichten Symptomen bis hin zum absoluten Zusammenbruch gäbe es eine ganze Reihe von Warnsignalen, die man als Betroffene selbst, aber auch als Kollegin, Partnerin oder eben Chefin wahrnehmen könne. Mindestens so wichtig, wie das Bewusstsein hierfür zu schaffen, sei eine wirksame Prävention. „Packen Sie die Ursachen an – und feiern Sie Ihre Erfolge. Für sich allein, aber auch gern mit dem gesamten Team!“ So würden beispielsweise klare Praxisstrukturen und das Formulieren von Standards ebenso Stress verhindern wie das bewusste Setzen von Grenzen oder die Identifizierung persönlicher Hauptstressoren. „Und – so lapidar es klingt, machen Sie Pausen. Erst recht, wenn Sie glauben, Sie hätten dafür keine Zeit. Frei nach Konfuzius: „Wenn Du es eilig hast, gehe langsam.“ Auch Sport, ausreichend Bewegung und eine gesunde Ernährung würden helfen. „Und das Gefühl, dankbar zu sein. Probieren Sie es aus!“

Ziel-Führung und Wertschätzung

Den letzten Vortrag des Tages steuerte Prof. Dr. Marcel Wainwright bei, der über Marketing und Kommunikation sprach und darüber, wie beides zum planbaren Praxiserfolg beitrage. Der zwischenzeitlich in Luxemburg niedergelassene Zahnmediziner beschrieb vor allem anhand seines persönlichen Werdegangs die Möglichkeiten konsequent umgesetzter Marketingstrategien – immer ausgerichtet am Profil der/des „Wunschpatient/in“. Dies beginne bereits mit dem Schaffen einer „Wohlfühlatmosphäre – eine moderne Zahnarztpraxis kann nach vielem riechen, aber nicht nach Zahnarzt.“ Das Aussehen der Anmeldung, das Erscheinungsbild der „Rezeptionistin“ erinnerten eher an ein Hotel denn an eine Zahnarztpraxis. Gezielte Fortbildung für patientenorientiere Telefongespräche („Fröhlichkeit muss hörbar sein!“) seien ebenso selbstverständlich wie ein konsequent positives Wording. „Den Erstkontakt mit der Praxis können Sie gar nicht hoch genug schätzen – hier fällt die Entscheidung, ob der Patient in die Praxis kommen möchte oder nicht.“ Auch in der direkten Arzt-Patienten-Kommunikation lauerten zahlreiche Fallen, die es – eigentlich leicht – zu vermeiden gelte. „Sprechen Sie Ihren Patienten immer auf Augenhöhe an, niemals bereits auf dem Stuhl liegend, von oben herab.“ Am Ende sei auch hier die Konsequenz ausschlaggebend: „Erarbeiten Sie sich gute Strategien in Marketing und Kommunikation. Definieren Sie Meilensteine. Und halten Sie daran fest.“

Im Anschluss an das HTS lud Dentista die Teilnehmerinnen dazu ein, gemeinsam auf 15 Jahre erfolgreiche Verbandsarbeit anzustoßen. Und auf ein gelungenes HTS, das endlich wieder zum Netzwerken und persönlichen Austausch einladen konnte.