Ein Symposium schärft sein Profil: „Unser Hirschfeld-Tiburtius-Symposium war zwar von Anfang an so angelegt, dass wir sehr viele Facetten eines Themas zusammenbringen und damit das Licht verändern, das auf einen ausgesuchten Bereich der Zahnheilkunde fällt“, sagt Dr. Susanne Fath, Präsidentin des Dentista Clubs. „Wir haben dies mit dem zurückliegenden Kongress in diesem Jahr noch intensiviert, und auch der kommende am 28. Juni 2014 in Berlin wird das spürbar machen. Das Thema des Kongresses ist dann die Prothetik – und das Motto lautet: lsquo;Viele Facetten’. Das Spektrum reicht über die Zahnmedizin hinaus, denn es geht um die vielen Facetten auch unserer Patienten: um ihre Persönlichkeit als Gesamtheit!“
Wie spannend dieses Miteinander von Zahnmedizin, Biologie, Psychologie und der Individualität von Patienten ist, zeigte das Jubiläumssymposium des Dentista Clubs Mitte Juni dieses Jahres, traditionell in der Kaiserin-Friedrich-Stiftung in Berlin: Die Kombination der Themen sei hochspannend, so die Bilanz der Evaluationsbögen. Alles drehte sich diesmal um das Immunsystem – und seine Verbindungen zur oralen Gesundheit. Eine spannende Einführung in die Welt der Immunzellen gab PD Dr. Ingrid Peroz/Charité, wissenschaftliche Leiterin des 5. Hirschfeld-Tiburtius-Symposiums. Sie entwickelte jeweils Verknüpfungen mit den unterschiedlichen Themen des Kongresses. Zu diesen gehörte die Frage, ob es Zusammenhänge zwischen endokrinem System und Parodontitis gibt: Referentin Dr. Fath beantwortete das mit Jein. Einerseits spielten ganz klar Hormone in die Mundgesundheit hinein, andererseits würden sie vorschnell als Verursacher mancher Entwicklung gesehen, hinter der eher Lifestyle-Aspekte stünden. Spannend sei die Gesamtheit aller Facetten bei der Konstellation Adipositas und Parodontitis: Hier sei zwar eine Verbindung über das endokrine System gegeben, weitere Zusammenhänge müssten aber noch fundiert fachübergreifend entschlüsselt werden. Welche Rolle beispielsweise Stress als Faktor für Mundgesundheitsprobleme spielt, blätterte Dr. med. Wolf Nickel/Berlin in einem mitreißenden Vortrag auf: „Geist und Seele und Körper gehören zusammen.“ Es sei bestätigt, dass Stress die Entzündlichkeit durch Störung der Immunregulation und –modulation befördere, wenig bekannt aber: „Zu 90 % bestimmt die Psyche, ob überhaupt Stress im Körper entsteht. Stress ist eine Frage der Einstellung!“ Bei anhaltendem Stress bleibe man in der Entzündlichkeit stecken. Ein passendes Rezept für ein gesünderes Leben aus psycho-neuro-endokrinologischer Sicht gab es für die Symposiums-Teilnehmer auch: „Glücklich sein ist antiinflammatorisch!“
Das Hirschfeld-Tiburtius-Symposium des Dentista Clubs unter Präsidentin Dr. Susanne Fath (Bild) hat mittlerweile viele Stamm-Gäste – das immer überraschende und individuelle Programm findet immer mehr begeisterte Fans
Neben Zusammenhängen von Mundatmung, Immunsystem und Tonsillenhypertrophie vermittelte Dr. Annette Wiemann/Berlin eine Übersicht über Folge-Symptome, die von Atmungsbehinderungen, Ohrschädigungen und Sprachentwicklung bis zu Zahnstellungsanomalien im Mund reichten und erklärte die Ursachen der Tonsillen-Wucherung. Sehen-Lernen konnte man über Beispielbilder: „Was ist eine normale Größe – und bis zu welchem Alter?“ Welche Möglichkeiten die moderne Zahnmedizin bei Schlafapnoe hat und welche Folgen sich ergeben können, wenn nicht interveniert wird, zeigte ZÄ Stefanie Rautengarten/Charité.
Wie ganzheitlich man Patienten betrachten müsste, wurde beim Vortrag von Dr. Andrea Diehl/Berlin überdeutlich. Eigentlich hängt alles mit allem zusammen – verbunden durch ein Organ, dass derzeit mehr und mehr als zentral steuernd in den Blickpunkt der medizinischen Wissenschaft gerät: der Darm. Eine Störung der Darmflora werde in die Peripherie übertragen und beeinflusse die Parodontitis – und diese sende die gestörte Situation auch wieder zurück. Eine CMD könne sich aus einer oralen Situation entwickeln – aber auch aus einer gestörten Darmfunktion. Manche Dysfunktion könne nicht austherapiert werden, ehe der Patient nicht auch Verkrampfungen aufgrund von Stress und weiteren Störungen verliere. Auch Allergien seien potentielle Trigger von oralen Belastungen. Dass allergische Störungen oft in zahnärztlichen Materialien gesehen würden, sagte OA Dr. Felix Blankenstein/Charité, höre und lese man vielfältig – allerdings mangele es an anerkannten Belegen sowohl für die allergene Wirkung der Stoffe als auch für deren Austestung. Man müsse zwischen Unverträglichkeit und Allergie unterscheiden. Dass man dennoch versuchen kann, die Belastung des Organismus mit potentiellen Triggern niedrig zu halten, zeigte ZTM Rainer Schultz/Berlin in seinem Beitrag zu möglichen (Wechsel-)Wirkungen von Zahnersatz und Immunsystem. Auch er bedauerte das Halbwissen vieler Meinungsbildner über Reaktionen auf Metalle, stellte aber auch neue Werkstoffe und Verfahren vor, die weitgehend metallfrei und dennoch zuverlässig einsetzbar seien.
Eine wichtige Abschlussfrage beantwortete Sylvia Wuttig: Was ist meine ganze aufwändige Therapie wert? Ihr Fokus lag auf der Abrechnung, die ebenso sorgfältig erfolgen solle wie die Behandlung selbst. Ihr dringender Appell mit Blick auf das neue Patientenrechtegesetz: „Tragen Sie alle Gespräche mit dem Patienten in die Karteikarte ein. Was da nicht steht, ist im Falle eines Gerichtstermins auch nicht erbracht.“ Man könne das 5. Hirschfeld Tiburtius Symposium auch als spannende Grundlagenveranstaltung für das bevorstehende 6. Symposium zu Prothetik aus ganzheitlicher Sicht sehen, meinte eine Teilnehmerin zum Schluss – und trug sich sogleich für den 28. Juni 2014 in die Anmeldeliste ein.